Da ich Damaskus verlassen und in Richtung Hama (ca. 215 Kilometer) gefahren bin, ist es schwierig, aktuelle Neuigkeiten übers Internet einzustellen. Meine ersten Eindrücke aus Syrien sind folgende: die in vielen unserer Zeitungen zu findende schwarz-weiß-Darstellung wird den realen Gegebenheiten nicht gerecht. Es gibt vielmehr – sowohl auf der Seite der Regierung als auch auf Seiten der Opposition – viele Grauetöne. Alle, die sich als Anhänger der Regierungen bezeichnet haben und mit denen ich sprechen konnte, halten Veränderungen (Zulassung von Parteien, Gründung oppositioneller Medien, Rückstufung der Geheimdienste) für unerlässlich. Alle Anhänger der Opposition, mit denen ich sprechen konnte, teilen diese Ansicht. Einig sind sich alle in der Forderung, dass die Gewalt aufhören muss und dass kein Syrer auf einen Syrer schießen darf. Einig sind sich auch alle, dass jede Einmischung von außen strikt zu unterbleiben hat, weil sie am Ende schädlich ist. Es handelt sich um ein innersyrisches Problem, das man von innen heraus lösen muss. Ob der jetzige Präsident am Ende bleibt oder nicht, ist für meine Gesprächspartner nicht der entscheidende Punkt. Entscheidend ist das Ende der Gewalt und eine friedliche Umgestaltung der Gesellschaft. Erste Schritte sind bereits getan: seit gestern können Parteien gegründet werden. Für meinen Teil kann ich nur sagen, dass ich frei reisen und frei berichten kann. Ich werde bei meiner Arbeit beobachtet, aber nicht behindert. ich kann drehen, was ich möchte und habe auch zahlreiche Fotos von Soldaten, Strassensperren und anderen militärischen Einrichtungen gemacht. Das war in vielen anderen Ländern, in denen ich gearbetet habe, nicht immer der Fall.
Nur die bewaffnete Opposition trägt den Dialog, der sich langsam zu entfalten beginnt, nicht mit. Woher das Geld und die Waffen stammen, mit denen die Gruppen gegen Polizeistationen, Militäreinrichtungen und Posten vorgehen, kann nur spekuliert werden. Dass eine Destabilisierung Syriens von Interessen außerhalb des Landes bestimmt sind, ist Konsens bei allen meinen Gesprächspartnern.
Ich konnte unmittelbar nach einem Schusswechsel bei Hama verwundete Soldaten in einem Krankenhaus besuchen. Auffallend: die Verwundeten wiesen alle schwere Kopfverletzungen durch Kugeln auf. (Bilder folgen nach meiner Rückkehr). Diese Verwundung deuten die Ärzte als Beleg für Scharschützen auf Seiten der Opposition. Wörtlich sagte mir ein Arzt: „wer so schießt, ist kein einfacher Bauer“.
Ich kehre in Kürze zurück und werde dann zahlreiche aktuelle Fotos und umfassende Berichte einstellen. Unter den jetzigen Umständen muss ich mich auf diese kurze Beschreibung beschränken.
Gruß
Karl Höffkes