Das ZDF zeigt heute Abend um 20:15 die von history media produzierte Dokumentation „Wir im Krieg – Privatfilme aus der NS-Zeit“.
Anlässlich des 80. Jahrestag des Kriegsbeginns am 1. September 1939 geht der Historiker Jörg Müllner mit Hilfe von Amateurfilmaufnahmen auf die Suche nach der Stimmung im Land Hitlers.
Der Großteil der Aufnahmen stammt aus unserem Archiv.
Bereits vor der Ausstrahlung wurde die Dokumentation zahlreich rezensiert. Die Frankfurter Rundschau lobt den Film als „überaus aussagekräftige Arbeit“.
Privates und unveröffentlichtes Filmmaterial zeigt einen persönlichen Blick auf das Leben in Diktatur und Krieg. Zum 80. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs 1939 gibt die Dokumentation „Wir im Krieg“ Antworten auf wichtige Fragen: Warum folgten so viele Menschen dem Regime? Wie erlebten sie in der Heimat oder an der Front die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs? NS-Geschichte erzählt mit Bildern aus der Mitte der Gesellschaft – zu sehen am 6. August 2019 um 20.15 Uhr im ZDF.
Auf Dachböden, in Kellern und diversen Archiven, in Sammlungen von Familien und Einzelpersonen schlummert ein nahezu vergessener Schatz: Es sind die privat gedrehten Filme unserer Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern. Die „Filmpioniere“ von einst haben ihr Leben auf Schmalfilm gebannt, auch in der NS-Zeit und während des Zweiten Weltkriegs. Fernab aller Propaganda- und Wochenschaukameras zeigen sie ein anderes Bild der Geschichte, liefern unzensiert und ungefiltert Einblicke in den Alltag von damals./
Filmwissenschaftler Dr. Tobias Ebbrecht-Hartmann (Hebrew University Jerusalem), die Historiker Prof. Isabel Heinemann (Universität Münster) und Prof. Dietmar Süß (Universität Augsburg), Stadthistoriker Thorsten Mietzner (Lahr), Sozialwissenschaftler Prof. Harald Welzer sowie Dr. Janosch Steuwer (Universität Zürich), der über 140 Tagebücher aus der NS-Zeit ausgewertet hat, analysieren, was diese Filme zeigen und was sie verschweigen.Die Aufnahmen, viele davon in Farbe und zum ersten Mal zu sehen, zeugen auch vom schleichenden Prozess der Vereinnahmung und Radikalisierung, die systematische Entrechtung und Vertreibung der Juden, die Auswirkungen des Krieges auf das Leben der Menschen in NS-Deutschland./
Autor und Regisseur Jörg Müllner ist es gelungen, bei umfangreichen Recherchen bemerkenswerte Funde zu Tage zu fördern, etwa aus der Stadt Lahr im Schwarzwald. Dort beauftragte einst die Stadtverwaltung ortsansässige Filmer und Fotografen, den Alltag in Lahr vom Tag der Machtübernahme Hitlers bis zum Kriegsende zu dokumentieren. Die Filmaufnahmen – viele davon in Farbe – zeigen, wie das Städtchen immer mehr vom Nationalsozialismus vereinnahmt wird: Zu sehen sind Paraden und Aufmärsche mit Volksfestcharakter, aber auch der Judenboykott und die zunehmende Bedrohung für die jüdischen Bürger in Lahr./
„Ich kann mich noch gut erinnern, als ich diese Aufnahmen zum ersten Mal gesehen habe“, sagt Stadthistoriker Thorsten Mietzner, „ich habe die Stadt, mit der ich mich zu diesem Zeitpunkt schon fünfzehn Jahre beschäftigt hatte, nicht mehr wiedererkannt. Ich hatte das Gefühl, dass Lahr in den Jahren zwischen 1933 und 1939 förmlich getränkt worden ist vom Nationalsozialismus, das haben diese Bilder vermittelt. Und das machen Farbbilder deutlich stärker als Schwarzweißbilder.“ Wie in einem Mikrokosmos zeigen die Bilder aus Lahr das Leben in der NS-Diktatur: Was dort im Kleinen geschah, ist auch im Großen geschehen./
Privatfilme aus anderen Regionen Deutschlands zeigen die letzten friedlichen Tage vor Kriegsbeginn, etwa Aufnahmen des jungen Ehepaares Höse aus Leipzig von ihrer Hochzeitsreise Ende August 1939, die sie entlang der Oder machen. Während die jungen Leute ihre Flussfahrt in einem Faltboot genießen und in damals noch unzerstörten Städten wie Breslau und Stettin Halt machen, laufen die Kriegsvorbereitungen des NS-Regimes bereits auf Hochtouren. Tatsächlich zeugt auch der Amateurfilm der Höses davon: So paddeln die Frischvermählten an einem Lazarettschiff vorbei, das für den Überfall auf Polen am 1. September 1939 bereitsteht. „Das ist eine Paradoxie inmitten der anlaufenden Kriegsvorbereitungen trotz allem am privaten Glück festzuhalten“, meint Historikerin Prof. Isabel Heinemann, „ich glaube, das kann für ziemlich viele Menschen zu diesem Zeitpunkt stehen. Man stellt ja nicht sein privates Leben auf Halt. Man hofft ja auch immer, dass es gut ausgeht.“/
Aber auch Kriegsszenen wurden von Amateurfilmern festgehalten. Erschütternde Aufnahmen zeigen zerstörte Städte wie Düsseldorf oder Mainz nach Bombenangriffen und das Überleben der Menschen in den Trümmern. Der junge Götz Hirt-Reger aus Leipzig filmt seinen Einsatz beim Reichsarbeitsdienst, richtet seine Kamera aber auch auf die Ruinen von Warschau, als er 1940 einen Lkw in das von Deutschen besetzte Polen bringen muss. Die Aufnahmen zeigen die Zerstörungen nach den erbitterten Kämpfen, es gab 40.000 Tote. Als Hirt-Reger 1941 beim Angriff auf die Sowjetunion als Funkaufklärer der 20. Panzer-Division im Einsatz ist, hat er wieder seine Kamera dabei. Seine Farbfilmaufnahmen führen Etappen des erbarmungslosen Vormarschs der deutschen Wehrmacht vor Augen, mit brennenden Dörfern und der leidenden Zivilbevölkerung.